Freitag, 31. Oktober 2014

Clemens muss weg, der Sommer ist vorbei!

Premiere auf meinem Blog: Eine neue Schreiberlingin feiert hier ihr Debüt. Heißen Sie mit mir zusammen herzlich willkommen: LORE PING!
Applaus --- Applaus ---  Applaus --- Applaus --- Applaus --- Applaus --- Applaus

Ich gähne herzhaft. Das Licht ist an, immer diese blöde flackernde Leuchtstofflampe. Und es ist laut. Alle vier sind diesmal hier. Der Junge ist oft auch allein hier, er hängt still die Wäsche auf und holt sie auch wieder ab. Das Mädchen ist kleiner und nicht so oft allein hier. Sie erzählt immer viel und quietscht dabei vor Vergnügen, nur morgens nicht, wenn sie ihr Fahrrad holt und zur Schule fährt.

Der Typ grummelt grad wieder rum und die Frau zetert. Ich rolle mit den Augen, ich kenne die Szenen schon, sie wiederholen sich. Das höre ich auch noch, wenn das Licht schon längst wieder erloschen ist. Aber nun zeigt sie auf mich! Was ist mit mir? Ist es soweit? Jaaaa, sie zerren mich aus meiner Ecke. Oh, Helena ist auch wach. Sie hat ganz schön laut geschnarcht, aber musste auch einiges ertragen. Ich stand jetzt ein paar Monate auf ihrem Fuß. Sorry, Helena!

Wir werden samt Fußstützen die Treppen hochgetragen. Hey, weiter! Nicht vor der Wohnungstür abstellen! Ich will raaaus!!! Ja okay, ich bin von der ungeduldigen Sorte und sensibel bin ich auch. Ich mag nicht, wenn sie mich Rehlein nennen, ich bin doch ein Mann. Nunja, ich trage das Braun wie ein Reh und es ist lange her, dass ich wie neu strahlte. Aber trotzdem! Ich bin kein Rehlein!! Ach ja, darf ich mich vorstellen? Ich bin Clemens, der Gartenstuhl.


So, nun bin ich doch draußen auf dem Balkon. Ich räkle mich und strecke mich, die Sonne wärmt mich durch. Hach, ist das schön. Mir gegenüber steht Helena. Das freut mich, kuscheln mit ihr war nicht schlecht, aber lieber schau ich sie den ganzen Tag an. Sie schaut auch ganz glücklich und zufrieden drein.

Hey, nicht so doll und nicht beide gleichzeitig, das tut mir weh! Die Kinder turnen auf mir herum, ich wackle. Die Mutter schimpft kurz, damit die Kinder aufhören. Danke! Der Junge bekommt den Auftrag, mich feucht abzuwischen. Er macht es, wenn auch nicht voller Elan.

Die Kleine steht schon mit Kissen hinter ihm, eins bekomme ich auf meinen Schoß. Und schwupps, sitzt die Mama auf mir und amüsiert sich, dass sie die Erste ist. Der Junge setzt sich wie ein Flitzebogen auf Helena und grinst. Die Kleine schmollt nicht, sondern sucht sich Mamas Schoß. Die beiden auf mir sind so herrlich leicht, da kann ich trotzdem gut entspannen.

Und diese Ruhe, nur die Vögel zwitschern wie wild.  Ich döse ein wenig. Es grummelt. Aber diesmal ist es nicht der Typ. Wo ist der eigentlich? Den sehe ich durch die Scheibe. Er sitzt drinnen und scheint beleidigt zu sein. Komm doch raus, es ist tolles Wetter! Ich zucke zusammen, es grummelt schon wieder.  Der Junge zeigt nach oben, jetzt sehe ich es auch, da kommen ganz dunkle Wolken.

Die Mama ist noch völlig entspannt. Der Typ schaut raus und fragt etwas. Langsam erheben sich auch meine beiden „Besitzer“. Mir und Helena werden die Kissen wieder weggenommen und wir werden allein gelassen. Die Tür ist zu. Nun können wir wieder von draußen das Treiben drinnen beobachten.

Der Tisch wird gedeckt. Sie werden sich gleich setzten und sich etwas in ihre Köpfe schieben. Kenne ich schon. Schon komisch, diese Zweibeiner. Einmal wird noch kurz die Tür geöffnet und die vergessenen Schuhe reingeholt. Das riecht aber lecker. Vorbei.

Ich döse wieder ein wenig. Bis ... bis … bis … igitt, ist das nass! Und laut. Helena kreischt, sie hat sich erschrocken. Ich versuche sie zu beruhigen. Das kurze grelle Licht, das durch den Himmel zuckt, wird uns nichts tun, sage ich, bin mir da aber selbst nicht ganz sicher. Wir halten tapfer durch und siehe da, es wird wieder hell und warm.

Und so geht das hier tagein tagaus. Manchmal ist es schon fast zu warm. Nachts friert Helena ganz oft, aber ich bin zu weit weg, um sie zu wärmen.

Ein paar Wochen später ist schon wieder ganz schön viel los um uns herum. Wir werden zusammengeklappt und wieder hingestellt. Hä? Oh ja, ich spüre es und es knistert. Ich hab so etwas Bedrucktes unter meinen Füßen. Was passiert hier?

Autsch! Nicht so doll! Du rubbelst mir doch mein ganzes Holz weg! Ich fühle mich nackt! Helena
jammert, ihr geht es nicht anders. Ich begreife noch nicht ganz, was hier passiert. Huch! Hihi … haha ... Hört auf, das kitzelt! Ich werde gestreichelt. Aber das klebt. Das klebt an mir fest. Die zweite Runde spüre ich aber nicht mehr so intensiv. Oh wow, ich glänze, wie neu. Ich würde mich am liebsten einmal um mich selbst drehen. Und Helena strahlt genauso. Wie hübsch sie doch ist!

Ich bin soooo glücklich, dieser Sommer ist ein toller Sommer! Nur ist er viel zu schnell vorbei. Helena und ich werden immer öfter allein gelassen. Außerdem werden die Tage wieder kühler. Und die Nächte erst. Helena friert seit dem Glanz auf ihrem Holz nicht mehr ganz so doll. Trotzdem jammert sie wieder häufiger, ihr ist wirklich kalt.

Hmmm … was ist das, kommt der nächste Sommer? Hab ich den Winter verschlafen? Gibt es keinen Winter mehr? Es ist verdammt warm. Aber die Nächte, die Nächte sind immer noch so frostig.



Ich habe mich geirrt, ein letztes Mal können wir das Treiben um uns herum beobachten und die auf uns turnenden Kinder spüren. Dann heißt es plötzlich: Gartenstuhl muss weg,  der Sommer ist vorbei!

Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Wir beide, Helena und Clemens sind gemeint. War es das jetzt? War das unser letzter Sommer? Ich sehe es Helena an. Sie denkt das Gleiche. Ihre Augen sind vor Schreck geweitet und füllen sich mit Tränen.

Dann packen sie uns … Der Typ trägt uns beide. Und die Kinder je eine Fußstütze.  Aber sie behandeln uns vorsichtig. Nun hoffe ich doch noch und … bin erleichtert, wir landen wieder im Keller. Hey, alter Schlafplatz! Und diesmal werden wir sogar in eine Decke gewickelt, Helena und ich, zusammen. Es ist schön, dass ich Helena wieder so nah bin, denke ich noch und falle in einen tiefen und erholsamen Schlaf.

Bye Bye Sommer, bis nächstes Jahr!

Fotos: Ichnicht  (macht auf Clemens Pause ... Sonne scheint)

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Ich bin eine Dame

Wir haben die Schule gewechselt. Jetzt ist alles gut und heimelig. Auf dieser Schule sind auch körperlich und geistig behinderte Kinder. Ist inzwischen so normal für mich, dass es sich eher komisch anfühlt, das extra zu erwähnen.

Manchmal, nur ganz manchmal noch fahre ich mein Murmelkind mit dem Auto zur Schule und hole sie wieder ab. Heute ist es so. Mein Murmelkind springt ins Auto und wir fahren drei Meter. Als vorsichtige Mama auf einem äußerst belebten Schulgelände und dessen Drumherum, halte ich artig an einem Zebrastreifen, vor dem -ebenfalls artig- ein Haufen Kinder mit und ohne Rollstuhl nebst erwachsener Betreuungspersonen steht, um offensichtlich irgendwann einmal die Straße zu überqueren. Ich warte eine ganze Weile. Sieht mir ein bisschen nach dem Spiel "Wer sich zuerst  bewegt, verliert" aus. Aber ich riskiere hier mal lieber nix. 

Endlich kommt Bewegung in die Gruppe. Sie starten. Ein Mädchen, etwa elf oder zwölf Jahre alt, zeigt mir mit Nachdruck einen Vogel.
Ähm ... wie jetzt? Ich warte doch!
Sofort meldet sich mein schlechtes Gewissen. Ich blättere im Hirn eine Liste aller meiner Vergehen durch, finde nichts passendes und komme zu dem Schluss, dass es nicht an mir liegt und doch möglicherweise sie nicht ganz auf geistiger Höhe ist. Das erklärt hier ja mitunter vieles.

Doch ... stopp! Die Rechnung durchkreuzt jetzt eine der Betreuerinnen, die sich das Mädel schnappt und am Arm vor mein Auto schiebt. Während sie ziemlich böse auf sie einredet, lasse ich das Fenster herunter fahren. Ich kann gerade noch hören: "... und jetzt kannst du sagen, was wir von dir erwarten!"
"Ntschldigng." presst das Mädchen kleinlaut hervor. Ihr ist die Nummer sichtlich peinlich. 
Mir irgendwie auch. Für mehr als ein "Okaaaaayyy ..." reicht mein sich ihr anpassender Wortschatz in diesem Moment nicht.
"Da kannst du aber froh sein, dass die Dame deine Entschuldigung annimmt!" poltert die Frau weiter und starrt dem Mädchen immer noch böse ins Gesicht, welches wiederum mich anstarrt. Um dieses Imkreisgestarre zu unterbrechen, sage ich jetzt laut und vernehmlich: "Danke!" und fahre langsam weiter. Wow! Hier sind also Erzieher wirklich noch Erzieher. Obwohl ... ein wenig Mitleid habe ich dennoch.

Hinten im Auto grinst die Murmel breit: "Was hat die Frau zu dir gesagt? Was bist du?"
Stolz schwelle ich die Brust und sage: "Ich bin eine DAME!"
Jetzt prustet sie los und rollt sich vor Lachen fast von der Rückbank. "Du bist ... du bist ... eine ... eine Dame???" fragt sie japsend. "Duhu???"

Muss ich jetzt eigentlich beleidigt sein?


Foto: Ichnicht  (hat sich überreden lassen und seinen Vertrag auf Probe verlängert)

Dienstag, 28. Oktober 2014

Aus Versehen im Schornstein


Mein Name ist Stanislaus. Ich bin ein Stubenkater … ein stattlicher Kater, der noch nie die Wohnung verlassen hat. Es ist ein ganz normaler Montag. Naja, nicht ganz normal. Ich habe DIE Gelegenheit, gebe meiner Neugier nach und nutze ein offenes Dachfenster zum Ausstieg aus meinem Stubenalltag. Es ist so schön sonnig … und es riecht so gut hier draußen. Stolz schreite ich mein neues Terrain ab. Aber so ein Dach ist auch irgendwie nur begrenzt benutzbar. Die Vögel sind immer schneller als ich. Da vorne guckt so ein komisches Ding aus dem Dach heraus. Vielleicht ein Weg nach unten? Ich springe mutig in einen dunklen Tunnel und … OH NEIN! Ich stecke fest!
Komme weder rauf noch runter. Meine Stattlichkeit … in Zahlen zwölf Kilo … stehen mir jetzt mal voll im Wege. Und nun?
„Miau!!!“
Niemand kommt.

Zwei Tage vergehen. Es läuft jemand über das Dach. Aber er kann mich nicht sehen. Es wird wieder Abend. Die Stadt ist ruhiger. „Miau!!!“
Ich höre Kinder draußen nach mir suchen. Aber sie sind zu weit weg. Sie hören mich nicht mehr. „Miau!!!“ Inzwischen habe ich alle Anstrengungen aufgegeben, aus diesem unsäglich engen Tunnel zu kommen, in dem ich kopfüber feststecke. Ich habe Durst, entsetzlichen Durst. Meine Zunge ist ganz dick und klebrig.

Inzwischen ist Donnerstagabend. „MIAU!!!“
Da! Sie hören mich! Die Bewohnerin des Dachgeschosses vermutet mich im Schornstein. So also heißt dieser beknackte schwarze stinkende Tunnel. Und sie ruft mein Frauchen an. Die ist sofort zur Stelle. Gemeinsam rätseln sie, auf welcher Höhe ich stecke. Frauchen ruft kurzerhand die Feuerwehr. Rettung naht also. Ich kann auch wirklich nicht mehr. Vier Tage hier und sechs von sieben Katzenleben sind futsch.

Ein Löschfahrzeug … nein, zwei halten vor der Tür. Die wollen es aber wissen. Zwanzig Mann stürzen durchs Haus … durch alle drei Etagen … aufs Dach und wieder zurück. Keine Ahnung, was sie vorhaben. Sie leuchten von unten in den Schacht … direkt in meine Augen. Wenigsten haben sie sich davon überzeugen können, dass ich wirklich hier drin feststecke. Jetzt klingeln sie an der Tür der mittleren Wohnung und wollen ein Loch in die Wand im Wohnzimmer hauen. Wieso denn ausgerechnet da? Ich bin doch hier! Die andere Wand! Die im Esszimmer! Hier oben! „MIAU!“ 

Sie rechnen die Entfernung in Schritten aus und korrigieren sich. Na prima. Jetzt stimmt wenigstens die Wand. Eine Wärmebildkamera kommt zum Einsatz. Warum benutzen sie keine Leiter? Die Polizei kommt auch noch und ordnet an, dass ein Loch in die Wand gehauen werden MUSS, weil sonst „Gefahr im Verzug“ ist. Wirbeltiere MÜSSEN gerettet werden. Ich kann also hoffen.

Gleichzeitig arbeiten Feuerwehrleute oben auf dem Dach. Sie lassen Ketten auf mich fallen. Und jetzt arbeiten sie auch noch mit Kugeln und  Eisenstangen! Was zum Henker haben sie vor? 

Ich verliere das Bewusstsein. Meine Katzenseele verlässt wenig später meinen Körper. Siebtes Leben futsch.

*

Auf die Frage: „Schatz, wie war dein Tag?“ könnte die Nachbarin über uns heute vielleicht wie folgt geantwortet haben:

„Ach weißt du … nichts Besonderes. Ein ganz normaler erster Tag nach zwei Wochen Urlaub. Heute war nur der Schornsteinfeger da und hat ein riesiges Loch in unsere Küchenwand gehauen, denn hinter der Wand liegt der Schornstein, in den vor drei Wochen die getürmte Katze aus dem Nachbarhaus geplumpst ist. Blöderweise ist sie auf einem Mauervorsprung innerhalb des Schornsteins stecken geblieben.

Es gab einen ziemlich unkoordinierten Einsatz der Feuerwehr zur Rettung. Der komplette Löschzug resignierte allerdings, nachdem die Männer in der Wohnung unter uns ein Loch in die Wand geschlagen hatten,  die Katze aber nicht mehr sehen konnten und zog wieder ab. Auf die Idee im Internet nach dem zuständigen Schornsteinfeger zu suchen, kam keiner dieser Leute. Der hätte auf jeden Fall das nötige Equipment gehabt, um die Katze zu orten. Dann hätten sie wahrscheinlich nicht wahllos ein Loch in die Wand unserer Nachbarn gehauen. Zwei Meter unter der Katze.

Der Schornsteinfeger hat  am nächsten Tag versucht die Katze herauszuholen. In seinen Messungen war er schon mal um einiges exakter als die Feuerwehr. Nur leider hat das nicht funktioniert, da der Vorsprung direkt zwischen unserer Wohnung und der Wohnung unter uns ist. Sieh es mal positiv: Unsere Nachbarn haben jetzt zwei Löcher in der Wand, wir nur eines.
Jedenfalls … die arme Katze ist jetzt draußen. Leider viel zu spät.“

Eins ist sicher: Schatz muss sich setzen.

Ichnicht  steht in Hut und Mantel mit seiner Kündigung an der Tür. Er findet es hier inzwischen grausamer als bei den Gebrüdern Grimm und ist nicht annähernd gewillt, ein Foto für diesen Post rauszurücken.

Dienstag, 21. Oktober 2014

Küchenfreunde

Murmelkind spitzt die Lippen zum Küsschen. "Gute Nacht Oma!"
Oma blickt auf Murmels Nase und wehrt schnell ab. "Hast du Schnupfen? Den möchte ich nicht haben!"
Murmel grinst. "Doch! Dann bist du in der Küche nicht so alleine ... "


Foto: Ichnicht (ist völlig fasziniert von seinem nassen Abdruck, nachdem der olle Hypochonder sich aus lauter Panik eine halbe Stunde die Füße gewaschen hat)

Sonntag, 19. Oktober 2014

Stau


Es hat aufgehört Sturzbäche zu regnen und der Verkehr kriecht seit Ewigkeiten über die Autobahn. 
Flummi zu seiner genervten Mutter: "Sieh es mal positiv. So sehen wir noch diesen tollen Sonnenuntergang."
"Ich sehe KEINE Sonne!"
Grinst. "Aber einen Untergang."
"Das ist wohl wahr ... "

Foto: Ichnicht (spielt inzwischen mit den Kindern Nummernschilder raten: LWL = Leberwurstland ... HF = Hasenfuß ... RZ = Ratzefurz ... )

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Ausgesperrt im Schlafanzug

Jaja … der Herbst ist da. ICH WEISS!
Und mit ihm ein etwas unberechenbares Wetter ... zumindest was die Feuchtigkeit von oben betrifft. Also bleiben die Räder für den Schulweg jetzt nicht immer draußen angeschlossen, wenn wir vermuten können, dass es regnen wird. Das bedeutet: Abends Rad rein in den Keller, morgens Rad raus aus dem Keller. So auch gestern und heute.

Es ist kurz vor acht. Ich habe aus praktischen Gründen noch meinen Schlafanzug an und lediglich eine Strickjacke übergeworfen, sehe aus wie rückwärts durch die Hecke gezogen … eben wie man so aussieht, wenn man morgens dem Bett entsteigt … und hoffe, dass ich auf meinem Weg in den Keller nicht einem der frisch geflauschten Nachbarn, die um diese Zeit gerne ihren Ritt zur Arbeit antreten, begegne.

„Murmelkind, machst du schon mal die Tür auf? Ich trag dir dein Fahrrad nach draußen.“
Das folgsame Kind, tut wie ihm geheißen und wackelt mit seinem Ranzen auf dem Rücken zur Tür, die auf den Garagenhof führt. Ich stelle das Rad vor die Tür, lasse das Rolltor zur Straße per Knopfdruck hochfahren und rede währenddessen in das Grau des Morgens hinein: „Mein Schlüssel steckt noch in der Kellertür, also hak die Tür bitte ein, damit ich gleich wieder rein … „

RUMS!

Ich stehe wie angewurzelt vor dem Tor, das gerade hochfährt und blicke entsetzt zur Tür, die resolut  in ihrem Schloss ruht. Mein Murmelkind guckt schuldbewusst, hat es aber zu eilig in die Schule zu kommen, als dass es sich mit mir zusammen über eine Lösung des Problems MutterimSchlafanzugohneSchlüsselvorderTür, auseinandersetzten könnte. Ich winke ihm nach und muss jetzt, so wie ich bin, ebenfalls durch das Tor auf die Straße, bevor sich dieses wieder automatisch schließt, das Haus umrunden und vorne klingeln.

Schön! Genauso hab ich mir das gewünscht! Hätte ich doch wenigstens die Haare schön. Nur für den Fall, dass doch ein duftender Nachbar durch die Tür weht, vor der ich stehe. Während ich die Klingel zu unserer Wohnung drücke, schicke ich ein Stoßgebet („Ich hoffe inständig, dass mein trödeliger total in sich ruhender Flummi, dessen Rad heute blöderweise vor der Tür steht, nicht inzwischen auf anderem Wege bereits das Haus verlassen hat!“) gen Himmel und muss an eine uralte Geschichte denken.

Schlüssel und ich … eine nicht besonders gelungene Kombination. Wenn ich zusammen rechne, was der Schlüsseldienst als solches bis jetzt an mir verdient hat … rechne ich lieber nicht! Jedenfalls habe ich irgendwann angefangen, wegen meiner „Schlüsselschwäche“ mit Netz und doppeltem Boden zu arbeiten. Das hat  sich bereits hin und wieder ausgezahlt.

Damals.
Also ich hatte noch keine Kinder, trug lediglich für mich und meine Dummheiten Verantwortung und fuhr in männlicher Begleitung in meinem Erdbeerkörbchen an die Ostsee, um dort ein lauschiges Wochenende zu verbringen. Für alle, die nicht wissen, was in diesem Zusammenhang ein Erdbeerkörbchen ist: Es handelte sich hierbei um ein altes Golf Cabriolet in schönstem Rosa Metallic ohne jeden elektronischen Schnickschnack. Nicht mal Servolenkung. Ich liebte dieses Auto … bis es nicht nur von oben sondern auch von unten offen war. Aber das ist eine andere Geschichte.


An der Ostsee angekommen, brach mir der Schlüssel im Schloss der Autotür ab. Nach kurzem Überlegen … Handys gab es damals bereits … rief ich den ADAC an. Ich hatte gehört, dass die gelben Engel auch helfen würden, wenn man kein Mitglied ist. Das könnte man während des ersten Hilfeeinsatzes werden. Unglücklicherweise war es an diesem Tag aber so neblig, dass alle Engel im Einsatz und helfende Hände somit nicht zu erwarten waren.

In meiner Not rief ich meine Freundin Fabienne an: „Hilfe! Ich brauche Hilfe! Hast du Zeit,  meinen Ersatzschlüssel fürs Auto aus der Wohnung zu holen und mir an die Ostsee zu bringen?“
„Ich bin gerade bei Caro.“ antwortete Fabienne und fragte in den Hintergrund: „Können wir mal kurz mit einem Autoersatzschlüssel an die Ostsee fahren?“
Nach einigen Rückfragen ihrer- und Erklärungen meinerseits war klar, dass sie kommen würden. Wildes Gekicher an beiden Enden. Wer gerade keine Abenteuer hat, der baut sich eben welche…

Die beiden fuhren los und klingelten sich durch das Tablot mit den Knöpfen, bis man ihnen  Einlass in das Mietshaus gewährte, unter dessen Dach sich damals mein Domizil befand. Ich hatte einen Ersatzschlüssel für die Wohnung auf dem Boden versteckt, der nur mit einem Vorhängeschloss gesichert war. Mit entsprechendem Werkzeug, die Mädels waren ja bereits gebrieft, brachen sie auf dem Boden ein und fanden den Wohnungsschlüssel an beschriebener Stelle.  Mit diesem bewaffnet, konnten sie sich jetzt in meiner Wohnung auf die Suche nach dem Ersatzschlüssel für das Auto machen. Da ich mich nicht mehr genau erinnern konnte, wo ich ihn gelassen hatte, war diese Aktion etwas aufwendiger. Einige Male wurde ich telefonisch nach weiteren möglichen Varianten des Aufenthaltsortes des Ersatzschlüssels befragt, über das Fortschreiten des Unterfangens unterrichtet, und konnte mich davon überzeugen, dass dieses von extrem guter Laune und einer in meinem Kühlschrank vorgefundenen Flasche Sekt begleitet wurde.

Endlich! Der Schlüssel war gefunden, wurde flugs durch den Nebel an die Ostsee transportiert und von uns ordentlich gefeiert. Meine Begleitung staunte sich ob der Organisation und deren Gelingens einen Wolf und ich war stolz auf meine Mädels. Danke dafür!

Der Türsummer geht, mein Schlafanzug und ich huschen flink ins Haus, rupfen hastig den Schlüssel aus der Kellertür und sind dankbar, heute mal keinem begegnet zu sein. Ich werde mich bestimmt nie wieder die nächsten zwei Wochen nicht über die stoische Gelassenheit meines Flummis beschweren. 

Foto: Ichnicht  (wühlt mal wieder in seinem Fundus)

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Orientierungslose Fäkalien


Meine Großeltern lebten auf dem Land. Und wenn ich LAND sage, meine ich LAND. Ein Haus auf dem Acker mit Hühnerstall, ein unbewohnter Bauernhof und dann lange ... nichts. Es gab keine Straße, nur einen Sandweg, der am Haus vorbeiführte und am Bauernhof endete.

Ich muss so ungefähr vier Jahre alt gewesen sein, da feierten wir ein etwas größeres Fest in diesem Haus. Die ganze Familie, also auch Tanten und Onkel nebst Ableger, war anwesend und übernachtete auch hier. Das kleine Zimmer unter dem Dach teilten wir Kinder uns. Mein Cousin, der in meinem Alter war, und ich schliefen in Betten, die nebeneinander standen und nur durch einen schmalen Gang voneinander getrennt waren. Am Fußende des einen Bettes stand ein Kinderbett, in dem sein jüngerer Bruder schlief. Daneben ein Schrank und ein Ofen, gegenüber ein Waschtisch mit Eimer fürs kleine Geschäft. Plumpsklo für größere Aktionen war auf dem Hof. So war das damals.

Wie bereits erwähnt, war das Haus sehr einsam gelegen. Das bedeutet, wenn es abends dunkel wurde, war es auch dunkel. Also ohne Mondschein stockfinster ... handvoraugennichtsehenkönnenfinster. So war es auch an diesem Abend. Wir wurden zu dritt mit großem Trara ins Bett gestopft und sollten nun schlafen.  Währenddessen ging die Party weiter, von der wir aufgrund der Entfernung zum Wohnzimmer im unteren Stockwerk nichts mitbekamen. 

Nachdem die Mütter uns alleine gelassen hatten, redeten wir noch eine Weile in die Dunkelheit hinein. Sehen konnten wir einander ja nicht ... aber hören. Einer von den Jungs bemerkte, er müsste mal müssen. Im Dunklen den Eimer zu finden, wählten wir einstimmig ab und riefen mit Leibeskräften nach unseren geliebten Mamis, damit sie den Eimer für den Kleinsten von uns beleuchteten. Nix. Die Entfernung runter war ja ebenso groß, wie rauf. 

Inzwischen hatten wir uns gegenseitig angesteckt. Wir mussten jetzt alle drei und eine gewisse Verzweiflung machte sich breit, die uns aus unseren Betten trieb. Dunkelheit hin oder her. Im Osten hatte man uns im zarten Altern von einem Jahr zur Trockenheit erzogen. Das würden wir doch zwei ... drei Jahre später nicht wieder kippen! Also, wo stand jetzt der verdammte Eimer in dieser elendigen Dunkelheit? Wir stießen im Gang -blind wie die Maulwürfe- zusammen, was einigermaßen gruselig war und unser Rufen zu erschrockenem Geheule und Gekreische anschwellen ließ. Und dann trat ich in etwas Weiches. Ich schrie fortan noch eine Oktave höher und lauter als die beiden anderen, denn ich hatte da so eine Ahnung. 

Das konnte jetzt selbst im letzten Winkel des Hauses nicht mehr ignoriert werden. Die Mütter stürzten im Doppel die Treppe herauf und brachten Licht ins Dunkel und auf die zertretene Wurst auf dem Boden. Ich saß auf dem Boden neben der Bescherung und hielt meinen Fuß kreischend und angewidert möglichst weit von mir weg.
Wer für die Sauerei ursprünglich verantwortlich war, weiß ich natürlich nicht mehr …
Also ICH nicht!


Ichnicht zückt ein Foto aus seinem Fundus und blickt konsterniert. Ist aber diesmal wirklich unschuldig. Immerhin war er zu jener Zeit noch Quark im Schaufenster.