Haie sind Haie und haben ein Revolvergebiss und Kinder sind Kinder und haben ein Milchgebiss. Dachte ich bisher.
Wenn
ich allerdings so in den Kiefer meiner Murmel sehe, habe ich Zweifel an unserem
Genpool. Hinter den unteren Milchzähnen, blicken mich zwei einträchtig
nebeneinander stehende Nachkömmlinge an. Die Frontzähne wackeln zwar ein wenig,
machen aber schon seit Wochen keine Anstalten, den Platz für die zwei auf der
Parkposition frei zu räumen. Was soll´s. Ich baue darauf, dass sich die Natur
schon ihr Recht nimmt. Und falls nicht …, finde ich einen Hai in der Familie
jetzt auch nicht sooo schlimm.
Es
ist mal wieder einer dieser Tage, an dem ich nach Einsammeln des Flummis und
des Halbhais noch einkaufen muss.
Wir laufen also gesammelt in einem dieser praktischen Märkte ein, in den man
auf gefühlt eine Million Quadratmetern alles bekommt, was dem Haushalt gerade
fehlt.
In
der Getränkeabteilung angekommen fällt mir ein, dass ich ja noch
Tiefkühlhimbeeren für Marmelade brauche. Also lass ich Flummi und Murmel mit
dem Auftrag, schon mal „unser“ Wasser zu suchen kurz beim Einkaufswagen, rase
zurück in die Tiefkühlabteilung und bin kurz vor dem Ziel, als es einen gellenden
Schrei gibt. Die Tonlage ist mir bestens bekannt. Ich schliddere tempogeladen mit
meinen Himbeeren bewaffnet um die Ecke und sehe das weit aufgerissene Mäulchen
meines Murmelkindes, aus dem ein kleines blutiges Rinnsal läuft. Kurz ... Ruhe,
weil ... sie schnappt nach Luft. Dann gibt es Schreinachschub.
Der Flummi blickt schuldbewusst.
Der Flummi blickt schuldbewusst.
„Was
ist denn passiert?“, frage ich bemüht ruhig, während ich in meiner Manteltasche
nach einem Taschentuch angele. So schlimm ist es nämlich nicht. Das kann ich
sehen. Aber auch, dass die Frontzähne meines Halbhais nicht mehr da sind.
„ErhatmiraufdenMundghnundnnsnmnznweeeeeeg!“
grölt es eine unverständliche Aneinanderreihung von
Buchstaben.
„Bitte?
Was ist passiert?“ frage ich nun direkt den Flummi, während ich Taschentuch und
Himbeeren zu einer Kühlkompresse umfunktioniere und auf den Mund des
Murmelkindes drücke.
Kleine
Kinder bluten und die Kacke ist so richtig schön am Dampfen, wenn sie wahrnehmen,
dass sie bluten. Wahrscheinlich haben sie Angst, sie könnten auslaufen oder
sind gerade kaputt gegangen, auch wenn die Wunde noch so klein ist.
Es dauert ein paar Jahre bis sich das relativiert.
Es dauert ein paar Jahre bis sich das relativiert.
Der
Flummi zuckt die Schultern und erzählt mir, dass das ja eigentlich Ichnicht war, seine Schwester ihn geschubst
habe und dabei irgendwie in seinen Ellbogen gelaufen sei. Ja … nee … ist klar.
Aber
dass das nicht mit Absicht passiert ist, ist auch der Murmel bewusst. Sie ist
inzwischen wieder redefähig. Jetzt verstehe ich auch, dass das nächste und
eigentlich viel größere Problem ist, dass ihre Zähne irgendwo zwischen die
Getränkekisten geflogen sind. Ich verdrehe die Augen. Jetzt kann ja die
bekloppte Zahnfee gar nicht kommen!
Welcher
Vollhorst hat diese Trulla eigentlich erfunden? Nikolaus, Geburtstag,
Weihnachten, Einschulung … reicht das nicht? Nein! Jetzt muss man auch noch
nachts in die Kinderzimmer schleichen und blutige Zähne unter den Kopfkissen
herauszerren, eine Kleinigkeit wieder dort einparken … unendlich bemüht,
niemanden zu wecken. Und wehe man schläft aus Versehen vorher ein ...
Also
robben wir, zur Freude alle Kunden und Verkäufer, zu dritt um die Getränkekästen
und suchen die flüchtigen Frontzähne meiner Tochter bis wir sie gefunden haben. Das dauert natürlich eine Weile aber wir sind erfolgreich.
Die Tränen sind getrocknet, das Blut versiegt, die Himbeeren angetaut, die heiligen Zähne im Taschentuch gefangen ... jetzt können wir nach Hause gehen.
Foto: Ichnicht (Der Arme ist immer noch damit beschäftigt, seine Unschuld zu beteuern.)
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