Montag, 14. September 2015

Wohnst du noch oder renovierst du schon?

Umzugswillige ortsgebundene alleinerziehende Mütter kennen das Theater. Jeder Makler rechnet das theoretische Monatseinkommen schon aus, sobald man mit Kind und Kegel auch nur in den Flur des begehrten Objektes einbiegt.
Man hat sich finanziell nackt zu machen und mindestens das Dreifache der Monatsmiete als Nettoeinkommen vorzuweisen. Zusätzlich muss man sich noch entschuldigen, dass man Kinder und keine Hunde hat, die man in die neue Behausung einschleusen möchte. In diesem Augenblick möchte ich einen gleichgeschlechtlichen Partner und meine Kinder gegen eine Horde Hamster und zwölf Katzen eintauschen. Das würde die Chancen auf dem Wohnungsmarkt sicherlich um einiges verbessern.
… Aber da das Gott sei dank unmöglich ist …

Also greife ich zu weiblichen Ticks und klimpere mit den Wimpern, was das Zeug hält und texte den Makler zu, dass er eigentlich gar nicht mehr anders kann, als mir die Wohnung in den Rachen werfen. Er nickt, versteht und ist tatsächlich gewillt, für mich in die Bresche zu springen.

Am Ende des Tages zählt allerdings nur das, was auf dem Papier steht. Denn genau dieses hält er dem Eigentümer unter die Nase. 
Gewonnen hat: 
Das doppleverdienende kinderlose Paar, die vor lauter wichtiger Arbeit nur zum Schlafen und Duschen nach Hause kommen. Keine Geräusche. Keine Belästigung. Und Miete satt.

Meine Heultour zieht sich über ein paar Monate hin, bis sich endlich eine Genossenschaft erweichen lässt, mich in eine marode, völlig verwohnte Hütte einziehen zu lassen. Ich deale um eine neue Küche, die ich mit erwähnenswerter Eigenbeteiligung einbauen lassen darf und mache jedes Mal die Augen zu, wenn ich das Bad betrete. Alles auf einmal neu machen ist einfach im Moment nicht drin. Das Bad muss warten.

Dann ist es nach ein paar Jahren Wohnen soweit. Ich kann das Bad selbst mit geschlossenen Augen nicht mehr sehen und beschließe jemanden anzuheuern, der mich von diesem Anblick befreit. Ich besorge Fliesen von der Genossenschaft und frage Gott und die Welt nach einem Handwerker meines Budgets. 

Ein Freund verspricht mir zu helfen und organisiert einen Handwerker. 
Dieser ist offensichtlich ein Mann vieler Wörter. Als er fertig ist mit der Schilderung seiner Pläne, habe ich einen Blumenkohl am Ohr, bin jedoch voller Hoffnung. Als Zeichen meiner Dankbarkeit gibt es jetzt schon mal ein Gläschen selbstgemachte Erdbeermarmelade. Er freut sich.
Ich mich auch. Tschüß Bad!



Es ist Pfingsten. 
Und so organisiere ich der Einfachheit halber die Kinder aus dem Hause. 
Mich ebenfalls. Aber nur soweit, dass ich die Arbeiten hin und wieder überwachen kann. Die Türen sind abgeklebt und geschlossen, und mir wird beruhigend der Rücken getätschelt, bevor ich das Haus verlasse.

Nicht genügend. So es sich herausstellt, als ich das erste Mal in die Bauarbeiten platze. Der Herr des Geschehens sitzt an meinem völlig verstaubten Esstisch, raucht und telefoniert. Das Marmeladenglas steht vor ihm. Leergefressen. Mit einem Löffel -MEINEM LÖFFEL!- und lauter Asche darin. Mein Kinn, das gerade gen Boden saust, fange ich aus lauter Angst, auf meiner Zunge könnte der Staub sofort zu Asphalt mutieren, schnell wieder ein. Am zweiten Tag sind gerade mal die Fliesen abgeklopft und die Tapete von der Wand geschält. Die Toilette verweilt noch halbgefüllt im Flur und das Waschbecken macht Ferien auf Balkonien.

Ich beiße die Zähne zusammen und nehme jetzt einfach mal in Kauf, dass ich die gesamte Wohnung nach Fertigstellung des Bades grundreinigen und desinfizieren darf. Begeisterung! Ich lasse mir versichern, dass der Herr Handwerker in seinem ureigensten Zeitplan liegt, bemerke, dass er doch wenigstens einen Aschenbecher benutzen könne, verlasse  die Wohnung wieder und lenke mich ab.

Nächster Tag.
Ich kann kaum einen Unterschied erkennen. 
Oh doch! Die Decke! 
Sie ist spiegelglatt gespachtelt und frisch gestrichen. Der Handwerker mit den vielen Wörtern erklärt mir, dass er eigentlich Trockenbauer ist und strahlt über das ganze Gesicht.
Ich hebe müde die Mundwinkel und fletsche die Zähne zu einem missratenen Lächeln.
Trockenbauer! Komisch. Warum beruhigt mich das jetzt so gar nicht? Ich war ja ursprünglich der Meinung, mir würde ein Fliesenleger gegenüberstehen. Ich weise den guten Mann darauf hin, dass es bereits Sonntag ist und am nächsten Abend hier Kinder durch die heiligen Hallen rasen und auch das Bad benutzen wollen würden. Er nickt beflissen und ist felsenfest der Überzeugung, er läge weiterhin im Zeitplan. Ich male seufzend ein Herz in die Staubschicht auf meinem Esstisch und verlasse wider besseren Bauchgefühls abermals das Haus.

Montag Nachmittag.
Ich erreiche mein Heim, diesmal mit Kindern im Gepäck  ... und flippe aus.
Zuerst bepöbele ich im Flur die dort immer noch verweilende Toilette, aus der es schwappt, als ich über sie stolpere. Dann stehe ich im Bad. Die Wände sind verfliest, der Boden auch. Allerdings ohne Fugenmasse. Am Rohrkasten kleben Fliesensplitter in Mosaikform. Soll das so bleiben???

Ich lamentiere: Der Herr Trockenbauer solle JETZT gefälligst für Ersatz sorgen, der hier in Nullkommanix für lau den Mist wieder in Ordnung bringt, den er verzapft hat. Einen Fachmann bitte! Pronto! Ich will mein Bad zurück!
Er steht mit hängenden Ohren vor mir und nickt nur noch, gibt sich geschlagen und greift zum Telefon. Jetzt tut er mir schon fast wieder Leid. 

Es kommt ein Fachmann. Allerdings erst am Abend. Wir müssen irgendwo aushäusig nächtigen. Darüber freuen sich die Kinder sehr.  
Ich möchte weinen. 

Eine Freundin ist so lieb und nimmt uns auf für die Nacht. Wir werden betüdelt und ich getröstet. Am nächsten Tag ist unser Bad fachmännisch hübsch hergerichtet und damit die Wohnung wieder bezugsfertig. Am Ende wird eben meist alles gut.





Der Trockenbauer ward nie mehr gesehen.

Fotos: Ichnicht (wohnt seit geraumer Zeit ausschließlich im Bad)

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